7 Schlüsselfaktoren, die die Finanzbranche 2024 prägen
Die vergangenen Jahre waren turbulent. Auch 2024 wird ein Jahr der Transformation. David Korbel beleuchtet in diesem Artikel die wichtigsten Entwicklungen im Finanzsektor. Unser General Manager Aryza DACH hat dafür globale Wirtschaftstrends analysiert und einen Blick auf die regulatorischen Vorgaben und Technologien geworfen, die die Finanzwelt 2024 entscheidend formen werden.
1. Inflation in Europa
Die Inflationsraten in der EU sind zuletzt deutlich zurückgegangen, mit einem Durchschnittswert von 3,6% in der EU (2,9% Eurozone). Die Europäischen Zentralbank (EZB) erwartet für 2024 eine durchschnittliche Inflation von 2,7%. Die Zinssätze der EZB bleiben mit 4,50%, 4,75% und 4,00% stabil, wobei für die zweite Jahreshälfte 2024 ein leichter Rückgang prognostiziert wird.
Einschätzung: Die sinkende Inflation in Europa wird 2024 eine spürbare Erleichterung für private Haushalte und Unternehmen mit sich bringen. Nach den Herausforderungen der vergangenen Jahre eröffnet sich damit neuer Spielraum für Kredit- und Finanzierungsmöglichkeiten. Dies könnte insbesondere für das Forderungsmanagement von Bedeutung sein, da verbesserte finanzielle Rahmenbedingungen die Kreditvergabe und -verwaltung erleichtern. Trotz der positiven Signale bleibt das Wirtschaftswachstum in Europa moderat, mit einer leichten Steigerung von 0,6% auf 0,8%. Dies deutet darauf hin, dass Unternehmen in einem stabilen, aber vorsichtig optimistischen Umfeld agieren sollten.
2. Insolvenzen bei Privatpersonen und Unternehmen
Die Zahl der Verbraucherinsolvenzen blieb europaweit im historischen Vergleich niedrig: 2023 wurden 66.000 Fälle registriert, verglichen mit 66.000 im Jahr 2022 und 79.000 im Jahr 2021. Gründe dafür sind neben der fallenden Inflation staatliche Hilfsprogramme, wie beispielsweise Energiehilfen.
Die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen ist deutlich gestiegen. Mit 18.000 Fällen in 2023 gegenüber 14.600 (2022) und etwa 14.000 (2021) ist ein klarer Anstieg zu den Vorjahren zu verzeichnen.
Neben der sinkenden Inflation sind Gründe hierfür die Pflicht staatliche Hilfsmittel zurückzuzahlen, sowie die Rückkehr zu strengeren Insolvenzregeln. Die Zahlen liegen aber noch weit unter denen der Schuldenkrise 2011 – 2012.
Einschätzung: Wir gehen davon aus, dass die Verbraucherinsolvenzen weiterhin leicht ansteigen. Die Überschuldungslage der Verbraucher in Deutschland hat sich laut Creditreform zuletzt bereits verschärft. Auf den ersten Blick hat sich das Geschehen zwar leicht verbessert (5,65 Millionen Menschen / – 233.000 Fälle ggü. Vj.). Das liegt aber an der Verkürzung der Speicherfristen für Restschuldbefreiungen von bisher drei Jahren auf sechs Monate. Nach alter Lesart waren es rund 17.000 Fälle mehr als 2022.
Für 2024 erwarten wir zudem einen starken Anstieg der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland und Europa um über 16%. Das begrenzte Industriewachstum sowie Konflikte im Nahen Osten und in der Ukraine werden die Kostenseite für Unternehmen 2024 erheblich beeinflussen.
3. Immobilienfinanzierung im Wandel
Der Markt für Baufinanzierungen bleibt wettbewerbsintensiv, wobei die Zinsspannen im Vergleich zu den Höchstständen von 2023 gesunken sind. Dies ist teilweise auf den Rückgang der Nachfrage nach Büro- und Gewerbeimmobilien zurückzuführen, was eine Zunahme der Restrukturierungsfälle in 2024 erwarten lässt. Gleichzeitig prognostizieren viele Banken eine steigende Rentabilität im Bereich der Baufinanzierung.
Experten weisen darauf hin, dass antizyklische Investoren, die jetzt die ESG- und Digitaltransformation auf dem Schirm haben, profitieren, da Immobilien mit schlechten ESG-Scores an Wert verlieren werden. Einen einheitlichen Zeitplan für die verschiedenen europäischen Märkte gibt es jedoch nicht.
Einschätzung: Wir gehen davon aus, dass die Zahl der Zwangsversteigerungen zunimmt, bedingt durch höhere Zinssätze bei der Refinanzierung und oft kurze Zinsbindungsfristen. Gleichzeitig sinken die Immobilienpreise und es besteht ein deutlicher Bedarf an Lösungen, die zunehmend strikter werdende ESG-Anforderungen in die digitalen Prozesse bei Kreditvergabe und -verwaltung zu implementieren.
4. Risikomanagement und Kreditgeschäft
Die Banken haben ihre Kreditstandards für Unternehmenskredite, private Immobilienfinanzierungen und Verbraucherkredite im dritten Quartal 2023 verschärft (siehe Bank Lending Survey). Die Kreditbedingungen wurden im Unternehmensbereich und bei Verbraucherkrediten restriktiver, während im Bereich der privaten Immobilienfinanzierung eine Lockerung mit engeren Margen zu verzeichnen war. In allen drei Segmenten ging die Kreditnachfrage zurück.
Einschätzung: Das Netto-Kreditvolumen wird 2024 voraussichtlich nur um 1,5% wachsen, verglichen mit 2% im Jahr 2023 und 5% im Jahr 2022.Zwar wird der Bedarf an Lösungen für die Kreditvergabe begrenzt sein, die Notwendigkeit für automatisierte Kreditprozesse ist dagegen wichtiger denn je, um rentabel zu bleiben. Künstliche Intelligenz wird dazu beitragen, manuelle Arbeiten zu reduzieren, z. B. im Dokumentenhandling durch Categorisation, Data Extraction, ChatBots, etc.
Künstliche Intelligenz wird dazu beitragen, manuelle Arbeiten zu reduzieren, z. B. im Dokumentenhandling durch Categorisation, Data Extraction, ChatBots, etc.
5. Herausforderungen und Veränderungen in der Unternehmenslandschaft
Die Transportkosten, sowohl auf der Straße als auch zu See, steigen kontinuierlich. Der Seetransport ist besonders durch Konflikte im Nahen Osten und Piraterieprobleme betroffen, was in höhere Versicherungskosten und längeren Reisezeiten resultiert, da Schiffe Afrika umfahren müssen, anstatt den Suezkanal zu nutzen. Der Straßentransport wird hingegen durch steigende Mautgebühren in Deutschland und anderen Ländern, hauptsächlich aufgrund neuer EU-Regelungen, beeinträchtigt.
Das Lieferketten-Sorgfaltspflichtengesetz, das eine umfassende Überprüfung und Anpassung globaler Lieferketten und Geschäftspraktiken vorsieht, ist ab sofort für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten verpflichtend (bisher 3.000 Beschäftigte) und wird zu einer großen Herausforderung.
Auch die neue wird einen erheblichen Einfluss auf Unternehmen haben. Die vereinheitlichten Zahlungsfristen zusammen mit strengen Durchsetzungsmaßnahmen werden nicht nur Prozesse verändern, sondern auch die Liquidität und Finanzierungsbedürfnisse von Unternehmen beeinflussen.
Einschätzung: Wir erwarten, dass diese Veränderungen den Bedarf an Betriebskapitalfinanzierung erhöhen. Insbesondere Unternehmen mit großer Verhandlungsmacht, große Einzelhandelsketten wie Aldi oder die Schwarz-Gruppe, die üblicherweise Zahlungsfristen von 90 bis 180 Tagen hatten, müssen mit ihren Partnern neu verhandeln und alternative Finanzierungsquellen finden oder werden versuchen, die Einkaufspreise drücken.
6. Regulatorische Entwicklungen im Finanzsektor
Für das Jahr 2024 stehen einige regulatorische Anforderung auf der Agenda:
- Die BaFin konzentriert sich 2024 verstärkt auf die Auswirkungen von Klima- und Umweltaspekten sowie auf die makroökonomische Lage im Rahmen der Finanzberichterstattung. So verlangt zum Beispiel die 7. MaRisk-Novelle, dass ESG-Kriterien bei der Vergabe und Überwachung von Krediten deutlich stärker berücksichtigt werden.
- Das Digital Operational Resilience Act (DORA) zielt darauf ab, die Widerstandsfähigkeit der Finanzinstitute gegen IT-Ausfälle und Cyberangriffe zu erhöhen und wird voraussichtlich Anfang 2025 in Kraft treten. Dies erfordert von Finanzinstituten und deren IT-Dienstleistern eine Überprüfung und Verbesserung ihrer Systeme, um die Resilienz zu stärken. Das deutsche Gesetz FinmadiG setzt diese Anforderungen um.
- Neue CSRD/ESRS-Regelungen verlangen von Banken detailliertere KPIs im Kreditgeschäft, z. B. zu Themen wie Klimawandel, Verschmutzung, Wasserressourcen, Biodiversität, Arbeitskräften, etc.
Einschätzung: Angesichts der regulatorischen Anforderungen bleibt die Anpassungsfähigkeit der Banken entscheidend. Die Balance zwischen Flexibilität, Sicherheit und der Einhaltung neuer Standards stellt eine kontinuierliche Herausforderung dar. Insbesondere wird die Umsetzung von DORA und CSRD/ESRS die Betriebsabläufe und Risikomanagementstrategien der Banken beeinflussen.
7. Zusammenfassung
Die Nachfrage nach effizienten Forderungsmanagement Software-, IFRS 9– und Inkasso-Lösungen in Deutschland spiegelt die wachsende Komplexität finanzieller Transaktionen wider. Dieser Trend wird begleitet von einer bemerkenswerten Marktkonsolidierung. Die Integration von Technologien wie KI und maschinellem Lernen in Finanzsoftware wird zunehmend wichtiger. Diese Entwicklung ist nicht nur eine Antwort auf das gestiegene Betrugsrisiko, sondern auch ein Schritt hin zur Optimierung von Verarbeitungszeiten und zur Reduzierung manueller Eingriffe.
Parallel dazu führen die steigenden regulatorischen Anforderungen in Deutschland und Europa zu einem erhöhten Bedarf an fortgeschrittenen Softwarelösungen. Diese müssen nicht nur effizient, sondern auch konform mit aktuellen und kommenden Vorschriften wie CSRD, ESRS, DORA und FinmadiG sein.