Pflicht zum elektronischen Datenverkehr –
das müssen Betroffene beachten
Seit Anfang des Jahres müssen verschiedene Berufsgruppen und Unternehmen auf elektronischem Weg mit der Justiz kommunizieren. Notwendig ist dafür ein besonderes Postfach (z. B. eBO) und eine entsprechende Übertragungssoftware. Im Interview erklärt Governikus-Prokurist Marc Horstmann, wie betroffene Parteien jetzt vorgehen müssen.
Herr Horstmann, seit Beginn des Jahres müssen bestimmte Berufsgruppen und Unternehmen zum Beispiel im Rahmen von Mahnverfahren elektronisch mit der Justiz kommunizieren. Es gab Verzögerungen, weil ein entsprechender Client der Justiz noch nicht zur Verfügung stand. Jetzt steht diese Software – und seit dem 8. Juni 2022 ist auch Governikus COM Vibilia erhältlich, das Bindeglied zwischen Unternehmenssoftware und Justiz. Wie müssen Unternehmen jetzt vorgehen, wenn Sie Ihre neue Software nutzen möchten?
Horstmann Zunächst einmal: Um elektronisch kommunizieren zu können, benötigen Unternehmen ein sogenanntes elektronisches Bürger- und Organisationenpostfach (eBO). Dafür ist eine Registrierung im Verzeichnisdienst der Justiz erforderlich, dem sogenannten „SAFE System“. Für die Registrierung gibt es zwei Möglichkeiten: 1.) Unternehmen, die über ein elektronisches Unternehmenssiegel verfügen, können die Registrierung unkompliziert damit abschließen. 2.) Andernfalls ist der Gang über den Notar notwendig. Dieser verifiziert die Identität des Antragstellers und übermittelt diese Info an die Justiz.
Und das eBO ist notwendig, um COM Vibilia zu installieren?
Horstmann Im Rahmen der Installation führt die Software durch einen Registrierungsprozess und fordert den Nutzer an einer bestimmten Stelle auf, die eBO-Registrierung vorzunehmen. Danach kann der Anmeldeprozess abgeschlossen werden. COM Vibilia kann ab sofort über unsere Webseite per E-Mail angefordert werden.
Viele Unternehmen nutzen derzeit den Governikus Communicator, also den Vorgänger von COM Vibilia. Am 30. Juni wurde der Support für den Communicator eingestellt. Was müssen diese Unternehmen tun, um das eBO nutzen zu können?
Horstmann Wir haben alle Governikus-Nutzer über das Update informiert. Unternehmen, die noch nicht umgestellt haben, sollten unmittelbar jetzt COM Vibilia installieren und den Prozess in Gang setzen. Denn die Zeit drängt. Wir haben am 30. Juni die Unterstützung zwar nicht komplett eingestellt, allerdings läuft die Übergangsfrist bis zum 30.9.2022 ab. Diese Übergangsfrist haben wir eingerichtet, damit es nicht zu Härtefällen kommt.
Wie ist das Preismodell von COM Vibilia?
Horstmann Eine Einzellizenz kostet 69 € pro Monat, wenn ein Unternehmen mehrere Lizenzen beantragt, bieten wir eine Ermäßigung an.
Was sind denn die Vorteile von COM Vibilia im Vergleich zum Vorgänger?
Horstmann Nutzer des eBO erhalten nach der Registrierung die Berechtigung, nicht nur mit den Gerichten, sondern zum Beispiel auch mit Behörden, Notaren und Steuerberatern elektronisch zu kommunizieren. Das erlaubt eine sichere und sehr viel flexiblere Kommunikation als bisher.
Es ist möglich, dass einige Kirchengemeinden mit der Umsetzung in Verzug sind. Ich denke aber nicht, dass die Justiz zum Stichtag ernst macht und bemängeln wird, dass ein von einer Kirche postalisch zugestellter Brief elektronisch hätte übermittelt werden müssen. Aber kümmern müssen sie sich jetzt.
Marc Horstmann, Governikus-Prokurist
Elektronische Schriftsätze müssen künftig mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein, eine Container-Signatur ist nicht mehr ausreichend. Wie wird künftig die Signatur einzelner Dateien bis zum eBO vonstattengehen?
Horstmann Das eBO setzt auf geprüfte Identitäten und sichere Übermittlungswege. Die sicheren Übermittlungswege nutzen die etablierte sichere Infrastruktur des elektronischen Rechtsverkehrs, die auf EGVP und OSCI basiert. Neu ist, dass im Rahmen der Einrichtung des eBOs eine sichere Registrierung durchgeführt werden muss, so dass sichergestellt wird, dass im Verzeichnisdienst SAFE der Justiz nur geprüfte Identitäten vorhanden sind. Bei der Übermittlung von Nachrichten wird jeder Nachricht ein sogenannter vertrauenswürdiger Herkunftsnachweis (VHN) mitgegeben. Dieser VHN verknüpft kryptografisch die übermittelten Dokumente mit den Identitätsdaten des Absenders.
Um diesen VHN zu erhalten, muss der Nutzer sich mittels eines sicheren Zertifikats – dies erhält der Nutzer im Rahmen des Registrierungsprozesses – am System anmelden. Von dieser ganzen Technik brauchen Nutzer aber nichts zu wissen, da die Anmeldung und Anforderung des VHNs vollständig automatisiert durch COM Vibilia erfolgt.
Durch die Registrierung auf Basis der sicheren Identität und dem damit ausgestellten VHN ist keine qualifizierte Signatur der Schriftsätze an die Gerichte mehr notwendig. Die einfache Signatur, also ein „mit freundlichen Grüßen Marc Horstmann“, ist vollkommen ausreichend. Der Rest wird automatisch von COM Vibilia erledigt.
Nicht nur Unternehmen sind von den Neuerungen betroffen. Seit Beginn des Jahres müssen auch Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts elektronisch kommunizieren. Dazu zählen Personen, Berufsgruppen und Organisationen, bei denen von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann, z. B. Sparkassen, kassenärztliche Vereinigungen, Berufsgenossenschaften und Kammern, Steuerberater oder Kirchengemeinden. Sind sie alle darauf vorbereitet?
Horstmann All diese Gruppen mussten ab dem Stichtag 1. Januar 2018 bereits empfangsbereit sein für den elektronischen Rechtsverkehr, seit dem 1. Januar 2022 sind sie jetzt auch verpflichtet, elektronisch über ein besonderes Postfach zu kommunizieren. Notare über das beN, Anwälte über das beA, Behörden über das beBPo – all diese Postfächer sind berufsgruppenspezifisch und vergleichbar mit dem eBO. D. h. aber nicht, dass alle Gruppen bereits angebunden sind, auch sie müssen die oben beschriebene Registrierung vornehmen, um den sicheren Übermittlungsweg an die Gerichte zu gewährleisten. Für die Steuerberater beginnt die Nutzungspflicht erst am 01.01.2023.
Droht das zum Problem zu werden? Experten befürchten, dass zum Beispiel Kirchengemeinden die Vorgaben gar nicht auf dem Schirm haben könnten.
Horstmann An einige dieser Berufsgruppen, insbesondere an Großabnehmer, sind wir bereits herangetreten, um die entsprechenden Vorgaben in die jeweilige Fachsoftware zu integrieren. Es ist aber natürlich so, dass noch nicht jeder alle Vorgaben umgesetzt hat. Es ist möglich, dass einige Kirchengemeinden mit der Umsetzung in Verzug sind. Ich denke aber nicht, dass die Justiz zum Stichtag ernst macht und bemängeln wird, dass ein von einer Kirche postalisch zugestellter Brief elektronisch hätte übermittelt werden müssen. Aber kümmern müssen sie sich jetzt.
Können auch Bürger ein elektronisches Postfach für die Kommunikation mit der Justiz nutzen?
Horstmann Ja, auch Bürgerinnen und Bürger können das eBO nutzen. Für sie sind die Registrierungshürden etwas geringer, sie können für die Authentifizierung ihren jeweiligen Online-Ausweis nutzen.